Eintauchen in die chaotischste und lebenslustigste Metropole Italiens, die allen Presseberichten zum Trotz viel ungefährlicher ist als manch andere Großstadt. Der kulturelle Aufbruch, der Neapel Mitte der 1990er Jahre erfasst hat, wirkt ansteckend, auch auf den Rest der Region. Die UNESCO hat den gesamten Centro storico zum Weltkulturerbe erklärt, das Archäologische Nationalmuseum und die Gemäldegalerie Capodimonte besitzen Weltniveau. Die Theater- und Musikszene in der Stadt am Fuße des Vulkans brodelt! Mit einem eigenen Fahrzeug nach Neapel zu reisen ist Wahnsinn, und erholen kann man sich anderswo.
Neapels Unterwelt
Nicht von Camorra & Co. ist hier die Rede, sondern von dem ältesten Neapel, das heute viele Meter tief unter dem Pflaster der Stadt liegt. In Neapels Centro storico gerät der Spaziergang schnell zur Zeitreise. Die sich rechtwinklig schneidenden Straßen entsprechen in ihrem Verlauf den cardi und decumani der antiken Stadt, die Bestätigung dafür findet sich im Untergrund. Den faszinierendsten Einblick in Neapels vergangenen Alltag erlebt man in der Ausgrabung neben der Kirche San Lorenzo Maggiore. Aus dem Kreuzgang mit den Resten des römischen macellum (Markt) steigt man über eine Treppe hinab und findet sich unversehens auf 2000 Jahre altem Pflaster wieder. Hier lag das Zentrum der Stadt, die griechische Agorà, später das römische Forum. An einer Bäckerei, Wollfärberei und dem aerarium vorbei, wo der Schatz der Stadt sicher hinter Gittern verwahrt wurde, gelangt man zu einem Kryptoportikus. Das ursprünglich Schatten spendende Gewölbe säumt eine Reihe weiterer Ladengeschäfte. Ganz ähnlich sieht heute noch ein Marktabschnitt in der darüber liegenden Via Tribunali aus.
• Complesso Archeologico di San Lorenzo Maggiore, Piazza San Gaetano 316, www.sanlorenzomaggiorenapoli.it
Wieder am Tageslicht, muss man nur die Piazza San Gaetano queren, vorbei an der Kirche San Paolo Maggiore – die barocke Basilika erhebt sich auf Fundamenten des römischen Dioskuren-Tempels, von dem auch die beiden mächtigen Säulen an der Front stammen –, um zu einem weiteren Einstieg in Neapels Unterwelt zu gelangen. Die Kulturinitiative Napoli Sotterranea bietet Führungen in eine Welt riesiger Kavernen und enger Gänge an, die bis zu 40 m in die Tiefe reichen. Griechen bauten im 4. Jh. v. Chr. den weichen, gelblichen Tuffstein unterirdisch ab, um mit dem Material ihre Stadtmauern und Tempel zu errichten. Der Steinabbau setzte sich bis ins 19. Jh. fort, und in dem gleichen Maße, in dem oberirdisch Paläste und Kirchen in die Höhe wuchsen, dehnten sich unterirdisch die Hohlräume aus – eine Stadt im „Negativ“ entstand.
• Napoli Sotterranea, Piazza S. Gaetano 66, www.napolisotterranea.org
Das nahe gelegene Hypogäum der Kirche S. Maria del Purgatorio ad Arco war als Chiesa de’ cape e mort noch bis in die 1960er Jahre Zentrum eines in Neapel weit verbreiteten, vom Vatikan jedoch kaum tolerierten Schädelkultes.
• Museo e Ipogeo della Chiesa del Purgatorio ad Arco, Via dei Tribunali 39
Auch bei einer Führung durch den Aquedotto del Carmignano erfährt man, wie das Schicksal der Stadt immer eng mit seinem Untergrund verknüpft war. Im 17. Jh. war die Bevölkerung Neapels auf über 400.000 Menschen angewachsen, die Versorgung mit ausreichend sauberem Trinkwasser war eine der drängendsten Aufgaben der Verwaltung. Nachdem der Versuch, den augustäischen Aquädukt von Serino wieder in Betrieb zu nehmen, gescheitert war, ließ Cesare Carmignano 1629 das Wasser des Flusses Faenza aus der Gegend von Sant’Agata dei Goti nach Neapel leiten. Die Wartung und Pflege von Neapels Aquädukten und Brunnenschächten oblag den pozzari, einem Berufsstand, um den sich viele Legenden und Geschichten ranken.
• Acquedotto del Carmignano, Vico Sant’Anna di Palazzo 52 (Treffpunkt am Grand Caffè Gambrinus), www.lanapolisotterranea.it
An den südlichen Abhängen des Capodimonte-Hügels befindet sich außerhalb der antiken Stadtmauern (extra moenia) das Viertel der Sanità. Hier wurden ab dem 2. Jh. n. Chr. Katakomben in den Tuff gegraben, in denen sich auch Christen beisetzen ließen. Durch den Chor der monumentalen Barockbasilika Santa Maria della Sanità, ihrerseits über einer frühchristlichen Kirche des 5. Jh. errichtet, gelangt man in die Catacombe di San Gaudioso. Die Katakombe entwickelte sich als Kultstätte um das Grab des nordafrikanischen Bischofs San Gaudioso, der um 452 im neapolitanischen Exil gestorben war. Fresken und Mosaiken aus dem 5. und 6. Jh. haben sich in Resten erhalten.
• Catacombe di San Gaudioso, Piazza Sanità 14, www.catacombedinapoli.it
Historisch und kunstgeschichtlich besonders interessant sind die Catacombe di San Gennaro. Vorbei an der Kirche Madre del Buonconsiglio führt ein Weg zur Basilika San Gennaro extra moenia hinab. Die Kirche, im 5. Jh. über den Katakomben errichtet, zählt zu den ältesten christlichen Bauten Neapels. Die Katakomben erstrecken sich über zwei Geschosse. Faszinierend zu sehen, wie Motive der antiken heidnischen Freskenkunst hier christlich umgedeutet wurden. Nachdem im 5. Jh. hier die Gebeine des bei Pozzuoli enthaupteten Märtyrerbischofs San Gennaro beigesetzt wurden, entwickelte sich der Ort zur bedeutenden Pilgerstätte und San Gennaro wurde zum Schutzpatron der Stadt erhoben.
• Catacombe di San Gennaro, Via Tondo di Capodimonte 13, www.catacombedinapoli.it
Belvedere Napoli
Neapels beste "Augenblicke" bieten die Dachterrasse des Castel Sant’Elmo, die Wandelgänge der Certosa di San Martino, die Terrasse des Museo Nitsch, die ausgedehnten Gartenanlagen Parco di Capodimonte, Villa Floridiana und Parco Virgiliano, der Kirchenvorplatz der Chiesa Sant’Antonio di Posilippo und die Mole von Mergellina. Natürlich auch die Decks der aus dem Hafen auslaufenden Schiffe …
Parco Posilippo und Parco Sommerso di Gaiola
Der Parco Posillipo lädt zu langen Spaziergängen mit Blick auf die Halbinsel Nisida und den Golf von Pozzuoli ein. Auch die sagenumwobene Villa Pausilypon lässt sich inzwischen wieder besuchen, das antike Theater dient Freiluft-Aufführungen. Zum Schutz der Küste und der Unterwasserwelt wurde der Parco Sommerso di Gaiola eingerichtet. Bei Bootsfahrten und geführten Schnorchelausflügen sind nicht nur die Meeresfauna und -flora zu erkunden, sondern auch archäologische Reste aus römischer Zeit, wie z.B. Fischzuchtbecken.
• Villa Pausilypon, Discesa Coroglio 36, Busse zum Capo Posillipo, Richtung Grotta di Seiano umsteigen
• Parco Sommerso della Gaiola, Discesa Gaiola 27/28, www.areamarinaprotettagaiola.it, www.gaiola.org